Vinland

How to play a Vinländer…

Ein Ratgeber, aber kein Gesetz für’s Rollenspiel
Dieser Text stammt aus der Feder von Michael Gruber

Die Urheimat der Vinländer lag irgendwo in den Nordlanden und war hart, karg und lebensfeindlich. Dies prägt die Menschen und bewirkt bestimmte Formen des Lebens und Denkens. Abgesehen von einigen unwirtlichen Gegenden vor allem auf Norglaw sind die heutigen Verhältnisse auf Vinland weitaus freundlicher, doch zeigt sich der „Vinländer an sich“ immer noch deutlich als Kind des harten Nordens.

Das rauhe, oft unfruchtbare Nordland läßt nur weit verstreute kleine Gehöfte und bestenfalls winzige Dörfer zu. Das heißt, die Menschen leben in kleinen und ziemlich isolierten Gruppen. Also kann man sich nur auf sich selbst bzw. seine eigene Gruppe verlassen und auf dieser Ebene sind alle Probleme zu lösen. Hinzu kommt, daß man normalerweise sehr eng und dicht gedrängt zusammen lebt, um der Kälte besser trotzen zu können. Diese äußeren Umstände bringen ganz bestimmte Charaktere und Verhaltensweisen hervor.

Ein Vinländer pflegt bei Problemen und Schwierigkeiten nicht lange zu jammern, sondern schnell entschlossen zu handeln. Entscheidend ist für ihn das, was im Moment und aus der Situation heraus geschieht, eventuelle spätere Konsequenzen sind zunächst gleichgültig und werden auch stoisch in Kauf genommen.

Der Vinländer ist eigentlich relativ wortkarg. Handeln ist ihm wichtiger als unnützes Drumherumreden. Um so redseliger ist er, wenn es die entsprechend „entspannten“ Situationen gibt, also auf Festen, Versammlungen, Märkten etc., weshalb er auch klug angewandte Redekunst ebenso hoch achtet wie Kämpfertugenden.

In den harten Nordlanden kann kein Einzelner, sondern nur eine gut funktionierende Gruppe überleben, in der jeder unabhängig von seiner Geburt bzw. seinem Stand grundsätzlich gleich wichtig und wertvoll ist. Der Vinländer ist daher kooperativ und akzeptiert auch eine auf den tatsächlichen Fähigkeiten beruhende Hierarchie oder Führerschaft. Dementsprechend lehnt er aber Herrschaftsansprüche allein aus anderen Gründen wie adlige Herkunft, Reichtum o.ä. ab. Hieraus erklärt sich das Gefolgschaftssystem mit seiner grundsätzlich freiwilligen Unterordnung unter tatsächlich fähige Anführer ebenso wie die allgemeine Ablehnung von Leibeigenschaft und Sklaverei (im radikalen Sinne des „Menschen als Ware“, Unfreie an sich – z.B. Kriegsgefangene oder Schuldner – gibt es auch auf Vinland), ebenso die hohe Achtung der Menschenwürde und die Gleichstellung der Frau.

Daher ist jeder Vinländer ungeachtet seines Standes ausgesprochen selbstbewußt, aber auch entsprechend achtungsvoll und höflich jedem anderen gegenüber. Das ermöglicht auch hinreichendes Anerkennen fremder Wertvorstellungen, um mit Mittelländern und anderen Fremden vernünftig umgehen zu können, solange diese gebührende Achtung vor den vinländischen Vorstellungen und Verhaltensweisen zeigen.

Da eine Gefolgschaft schnell gebildet und auch wieder aufgelöst werden kann, ist eine alternative Gruppe erforderlich, die unauflöslich Sicherheit bietet. Dies ist die Sippe, die rückhaltlos Unterstützung gewährt und die für den Vinländer seine oberste und wichtigste Verbindung darstellt, im Zweifelsfall also über der Gefolgschaft und sogar über Ehe und Familie steht. Das dichte Zusammenleben in kleinen isolierten Gruppen erfordert entsprechend „höfliches“, also sachliches und weitestgehend zumindest äußerlich emotionsfreies Miteinander, sollen nicht ständig Streitereien und Schlimmeres entstehen.. Daher wirkt ein Vinländer zunächst recht stoisch, ja dickfellig und gefühlsarm, ist aber eigentlich nur stark darauf programmiert, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Das heißt aber auch, daß er Wut, Enttäuschung und alles andere regelrecht in sich hinein fressen kann und daher unter Umständen so viel Frustration etc. ansammelt, daß er dann regelrecht explodiert und dies völlig überraschend zu katastrophalen Ausbrüchen führen kann. Wohl auch als Ventil in dieser Richtung ist der Vinländer Gruppenfremden gegenüber und wiederum bei passenden Gelegenheiten wie Festen und Feiern oftmals ausgesprochen „temperamentvoll“ und häufig regelrecht streitsüchtig, wenn er sich erst einmal von der genannten Pflicht zur Höflichkeit entbunden fühlt. Ein entsprechend „Aufgeladener“ kann hierfür dann aber den geringfügigsten und harmlosesten Ausrutscher als Beleidigung oder Ehrverletzung auslegen.

Das karge Nordland kann kaum mehr als das Überleben und dies auch nur dem gewähren, der es sich durch entsprechende Härte und Stärke verdient. Daher ist der Vinländer grundsätzlich als „gewaltbereit“ zu bezeichnen und gewaltsam, aber „ehrenhaft“ erworbenes Eigentum zählt für ihn als rechtmäßig erworben. Andererseits erfordert das Überleben jede Hand und daher gefährdet jeder Verlust die Existenz auch der eigenen Gruppe, selbst wenn eine Auseinandersetzung an sich siegreich beendet wurde. Dies erklärt die enge Begrenzung und hohe „Ritualisierung“ blutiger Kämpfe zwischen Vinländern durch die Einrichtung der formellen Fehde. Fremden (und auch Voltariern) gegenüber braucht in dieser Hinsicht natürlich sehr viel weniger Rücksicht genommen zu werden.

Die Achtung des Individuums, der grundsätzlichen Gleichheit und Würde aller Menschen drückt sich neben den „basisdemokratischen“ Regierungsformen (freiwillige Gefolgschaft und das Thing als theoretisch einzige Instanz für gesetzgebung, Rechtsfindung und alle sonstigen Gemeinschaftsentscheidungen) auch z.B. darin aus, daß auf Vinland Verurteilungen zu Haft oder Zwangsarbeit ebenso unbekannt sind wie körperliche Züchtigungen oder gar Folter und Verstümmelungen. Vergehen und auch schwere Verbrechen, selbst Mord und Totschlag werden durch Schadensersatz, vor allem das „Wergeld“ gesühnt und schlimmstenfalls durch eine zumeist auch nur vorübergehende Verbannung. Todesurteile erfolgen äußerst selten und werden zudem eher als religiöses Menschenopfer als wie ein Racheakt vollzogen. In anders nicht klärbaren Fällen kann auch ein Gottesurteil stattfinden, jedoch ausschließlich in Form eines allerdings grundsätzlich tödlichen Zweikampfes. Feuer-, Wasser- und andere Proben sowie ähnlich grausame Gottesurteile oder Verhörmethoden mittelländischer Art sind auf Vinland unbekannt.

Die ursprünglichen kleinen und hart ums Überleben kämpfenden Gruppen der alten Zeitbewirken, daß nach wie vor Eheschließungen vor allem als willkommene Gelegenheit gesehen werden, Stärke und Wohlstand einer Gruppe zu vergrößern. Die vinländische Ehe ist daher eher ein Geschäft zwischen zwei Sippen und die Liebe zwischen den Eheleuten wird weniger als Voraussetzung als vielmehr als mögliches und erwünschtes, aber keineswegs unbedingt notwendiges Ergebnis ihrer Zusammengehörigkeit betrachtet.

Daher darf sich ein Vinländer – sofern er sich die zusätzlichen Kosten leisten kann – auch ganz legal sowohl „Bettsklavinnen“ („moderne“ Bezeichnung, da eben keine Sklavin, aber häufig Unfreie oder Kriegsgefangene) oder eine Nebenfrau („Kebsweib“) halten. Mit beiden werden legale Eheverhältnisse eingegangen, jedoch besteht eine entsprechende Rangfolge in den Rechten im Vergleich zur eigentlich Ehefrau sowie bei den Erbansprüchen der jeweiligen Kinder. Naturgemäß können und wollen sich nur wenige Wohlhabende mehrere Frauen leisten und auch sonst gibt es in der Praxis weit mehr echte „Liebesehen“, als man zunächst vermuten kann. Liebende waren und sind halt immer sehr erfinderisch, und auf Vinland bietet der „Brautraub“ zudem eine ebenso dramatische wie romantische – wenn auch nicht ungefährliche – Möglichkeit, gegen den Willen der Sippen eine Ehe zu erzwingen (die Braut wird mit ihrem Einverständnis geraubt und die beiden müssen drei Monate die Verfolgung durch ihre Sippen heil überstehen).

Die im Vergleich zum Mann stark eingeschränkte sexuelle Freiheit der Frau und auch andere, äußerlich schnell erkennbare Sachen wie z.B., daß Frauen keine Schwerter tragen und im Thing weder sprechen noch abstimmen dürfen, scheinen die so stolz behauptete Gleichberechtigung offensichtlich schlagend zu widerlegen. Tatsächlich stimmt das aber so nicht, vielmehr entspringen diese Regelungen eigentlich sehr vernünftigen und keineswegs „frauenfeindlichen“ Gründen, deren genaue Erklärung der einfache Vinländer aber gerne Vertretern der Oberschicht, sprich dem örtlichen Adligen etc. überläßt („…nee, nee, also das iss‘ schon in Ordnun, das iss‘ schon richtig un‘ war schon immer so, aber fragt da mal den Hetman, der kann Euch das richtig genau erklären, wie das warum so sein muß…“).

Eine Familie ist auf Vinland grundsätzlich eine Gruppe miteinander Verwandter oder Verschwägerter (richtig, Eheleute sowie deren Familien sind miteinander nicht verwandt, sondern verschwägert!), die zusammen fest in einem Haushalt wohnen, also normalerweise zumindest ein Ehepaar. Hinzu kommen deren Kinder und eventuell noch weitere Personen (also der Opa, die Schwiegermutter – auch auf Vinland gefürchtet, aber aus religiösen Gründen nicht als „Drachen“ bezeichnet! – ,die Nebenfrau….). Der Haushalt als „Gruppe“ umfaßt darüber hinaus noch die sonst noch im Haus, dem Gutshof oder sonstigen Anwesen mehr oder weniger fest wohnenden Personen, also Bedienstete, Unfreie, Huscarls, aber auch für die Dauer ihres Aufenthaltes eventuell vorhandene Gäste.

Die Sippe ist die Gesamtheit aller mehr oder weniger direkt Blutsverwandten (also nicht zu verwechseln mit dem Begriff „Großfamilie“, zu der ja auch Verschwägerte gehören). Ehegatten bleiben beide Angehörige ihrer jeweiligen Sippe, während die Kinder (auch die auch aus „Nebenehen“ sowie anerkannte nichteheliche) stets zur Sippe des Vaters kommen (nichteheliche ohne Vaterschaftsfeststellung natürlich zu der Mutter).

Familie und Sippe sind also zwei verschiedene Bindungsformen, zu denen noch die Gefolgschaft hinzukommt. Zwischen diesen Dreien kann es natürlich unter Umständen zu tragischen Konflikten kommen. Grundsätzlich gilt die Sippe als heiligste und absolut unauflösliche Bindung, der also im Zweifelsfall unbedingt der Vorrang zu geben ist. Der Mord an einem Sippenangehörigen wird daher als schlimmer und vor allem ehrenrühriger angesehen als der selbst am Ehegatten und wird regelmäßig auch nicht allein durch Wergeld gesühnt, sondern mindestens durch lange Verbannung (sofern der Täter bis zum Thing überhaupt überlebt, denn Sippenmord berechtigt zur Blutrache mit besonders grausamen Taten wie dem „Schneiden des Adlers“, was hier nicht beschrieben werden soll – schluck, würg!).

Natürlich sind dies alles eher theoretische Grundsätze, denn auch auf Vinland sieht die Praxis häufig etwas anders aus. So bewirtschaften viele Bauern von ihrem adligen Gefolgschaftsherren gepachtetes Land und befinden sich durch diese und auch andere Abgabenverpflichtungen (z.B. häufig Rückzahlung von als Darlehen gewährten Sach- oder Geldleistungen) in keineswegs mehr rein freiwilliger Abhängigkeit. Aus diesen und anderen Gründen kann die tatsächliche Macht des vinländischen Adels immer mehr mit feudalen Herrschaften des Lehns- oder Blutadels verglichen werden.

Apropos Adel – deren Titel und Rangfolge muß jeder Vinländer ja wohl auch kennen:

Hersir ist der Sammelbegriff für alle Adligen und kann somit als immer korrekte Bezeichnung wie auch Anrede unabhängig vom genauen Rang benutzt werden. Der Hetman war ursprünglich Besitzer und Befehlshaber eines Drachenbootes, verfügt aber heute oft über mehr Macht. Er entspricht etwa einem gut gestellten, vergleichsweise wohlhabenden Ritter mit einem sehr ordentlichen Lehen. Ein Jarl hat entweder eine deutlich größere eigene Gefolgschaft in mehreren Dörfern etc. und / oder mehrere Hetmanen samt deren Anhänger als Gefolgen (allerdings kann jeder Hetman auch unabhängig bleiben, das ist eine Frage von Macht und Politik), kann also etwa mit einem Grafen oder einem Baron verglichen werden. Besonders mächtige Jarle werden Havajarl („Hochjarl“) genannt und entsprechen bereits Herzögen. Kein eigentlicher Adelsrang bildet der Jarlfürst, manchmal schon einfach Fürst genannt. Vielmehr handelt es sich um einen zumindest von der Mehrheit der Adligen einer Insel erwähltes Oberhaupt, das sie vor allem nach außen hin vertreten soll und das eigentlich nur einige wenige Kompetenzen und Sonderrechte genießt, was aber einige Fähige durchaus zu regelrechten Machtpositionen ausbauen können und konnten. Auf Norgay ist dieser Job seit dem Tod des Jarlfürsten Oswulf von der Starkenburg (richtig, auf „Vinland 1“) nicht wieder neu besetzt worden.

An Religionen gibt es auf Vinland deren drei, nämlich den Kult der Drachen sowie den der „Alten“ und der „Neuen“ Götter. Die Alten Götter sind hierbei die alten nordischen, die nicht mehr in einem allgemein verbindlichen System, sondern nur noch in diversen lokalen Kulten verehrt werden. Die Neuen Götter sind tatsächlich die des „Alten Volkes“, den rätselhaften menschlichen oder besser halbelfischen Ureinwohnern Vinlands, von denen zumeist nur noch einige geheimnisvolle Ruinen übrig geblieben sind. „Neu“ ist deren Verehrung durch die Vinländer, die zwar als allgemeine „Staatsreligion“ gedacht ist, in den meisten Vinländern aber noch nicht so recht verankert werden konnte. Das ganze wird auch eher von ehrgeizigen Adligen als ideologische Unterstützung einer zentralistischen absoluten Herrschaft gefördert.

Der Kult der Drachen ist dem einfachen Vinländern sowieso etwas zu hoch mit seinen komplizierten philosophischen Lehren von Aspekten, Sphären und so komischem Zeug. Er weiß, daß sie einstmals sehr real Vinland beherrschten und jetzt irgendwie entrückt sind, aber auch nicht zu „richtigen“ Göttern wurden. Mit ihren zurückgebliebenen magischen Kräften oder auf sonstwie rätselhafte Weise haben sie aber immer noch eine Menge Wirkung und daher muß man ihre Verehrung schon ernst nehmen und brav befolgen, was die weisen Köpfe hierzu erklären. Und meist hat das ja was mit schönen Festen zu tun….

Grundsätzlich gilt auch für die Darstellung eines einzelnen Vinländers das interaktive Konzept der Vinland – Kampagne. Die unterschiedliche Gestaltung der einzelnen Inseln mit eher „konservativen“ oder „fortschrittlichen“ Bewohnern, unterschiedlich weit entwickeltem Übergang der freiheitlichen Gefolgschaftsgesellschaft in absolute Adelsherrschaften, unterschiedlich starker Einfluß mittelländischer Kulturen, der Religionswirrwarr und vielerlei mehr einer „Gesellschaft im Umbruch“ lassen viel Spielraum für individuelle Sonderlinge.

Im Zweifelsfall kann der Spieler eines Vinländers ebenso bedenkenlos auf persönliche Kenntnisse altnordischer Götter- und Heldensagen zurückgreifen wie auf gängige Klischees von „Hollywood-Wikingern“. „Barbaren“ (Verhaltensnorm: Prügeln, Saufen, Plündern, Vergewaltigen, ab und zu ´ne anständige Schlacht und möglichst immer laut lachen) können ebenso gut in Vinland integriert werden wie „Edle Wilde“ (Verhaltensnorm: gütig, ernst und möglichst sinnend blicken, bedächtig reden und dabei Banalitäten als tiefe Weisheiten verkünden).

Allerdings gibt es schon relativ verbindliche Grundregeln wie die oben skizzierten, die man doch einigermaßen berücksichtigen sollte. Speziell beim Umgang mit Ausländern sollte ein Vinländer vor allem folgende Punkte beherzigen:

Anrede: Grundsätzlich pflegen sich alle Vinländer untereinander zu duzen und auch mit dem Vornamen anzureden, da eigentliche Familiennamen nicht existieren und die von Adligen oder sonstigen großen Sippen eigentlich nur als Gruppenbezeichnung und nicht in der persönlichen Anrede benutzt werden. Allerdings ist es inzwischen allgemein üblich, Adelige nur bei besonderer Vertrautheit lediglich mit dem Vornamen anzureden, aber ansonsten den Titel zu benutzen, diesen aber schlicht und ohne sonstige Floskeln, also einfach „Hetman“ oder „Jarl“. Ebenso ist wiederum mit Ausnahme einer besonderen Vertrautheit und natürlich innerhalb der Familie die Anrede mit „Ihr“ und „Euer“ allgemein gebräuchlich geworden.

Weibliche Formen der Adelstitel existieren nicht, adelige Frauen werden daher meist allgemein mit „Hohe Frau“ angesprochen, weil „Jarlsfrau“ oder „Hetmansfrau“ auch für Vinländer sehr ungelenk klingt. Inzwischen haben sich aber auch die mittelländische Anreden „Sire“ (sprich: „Szaier“) und „Mylady“ (sprich: „Mileidi“) eingebürgert. Dies geschah wohl vor allem wegen des heute schon häufigeren Umganges mit ausländischen adligen oder hochgestellten Persönlichkeiten, da eine solche Anrede nur selten als wirklich fehlerhaft angesehen wird (und „Bürgerlichen“ zwar nicht zusteht, aber schön schmeichelt, was dem Geschäft zweifellos nicht abträglich ist). So können Peinlichkeiten oder gar Beleidigungen zumeist vermieden werden. Entsprechend belehrt, wird auch ein Vinländer die jeweils gewünschten korrekten Formen benutzen, solange er selbst hinreichend achtungsvoll behandelt wird.

Gastrecht:
Grundsätzlich wird jedermann, der darum bittet, bis zu drei Tage und Nächte Gastrecht, also Unterkunft, Verpflegung und auch Schutz gegen Dritte gewährt.Falls der Aufenthalt länger dauert, wird regelmäßig eine Begründung verlangt, sofern dies nicht z.B. wegen Krankheit oder Verletzung selbstverständlich oder dem Gastgeber sowieso schon bekannt ist. Fehlt eine ersichtliche oder akzeptable Begründung, kann nach den drei Tage und Nächten die Weiterreise verlangt und notfalls erzwungen werden.

Eine Bezahlung wie bei einem berufsmäßigen Gastwirt wird nicht verlangt und im Gegenteil sogar als Beleidigung angesehen. Allerdings wird erwartet, daß der Gast im Rahmen seiner Möglichkeiten je nach sich bietender Gelegenheit in angemessenem Umfang im Haushalt mithilft. Da ihn der Hausherr notfalls mit Gewalt und Waffen schützt, ist der Gast ebenso zwingend verpflichtet, nach besten Möglichkeiten und ebenfalls auch unter Einsatz seines Lebens seinem Gastgeber gegen jeglichen Angriff von dritter Seite beizustehen (grundsätzlich sogar gegen eigene Landsleute oder Freunde – das Gastrecht ist wirklich sehr heilig! Bei eigenen Gesippen oder Blutsverwandten darf der Gast auf eigenen Wunsch hin aber auch „neutral“ bleiben, obwohl dies natürlich eine ziemlich eigenartige Situation ergibt, wenn die Verwandten eines Gastes dessen Gastgeber überfallen….).

Sofern es sich nicht um die Aufnahme eines Reisenden oder einen Notfall handelt, sondern um einen eigentlichen Besuchist es üblich, ein angemessenes Gastgeschenk mitzubringen und zu übergeben. Unerfahrene Ausländer haben die Möglichkeit, ein fehlendes Geschenk möglichst schnell nachzuholen oder ein vielleicht unpassendes oder unzureichendes zu ersetzen. Dies sollte aber noch während des Aufenthaltes geschehen. Entgegenkommenderweise kann sich ein Gastgeber aber auch bereit erklären, sein Geschenk später zu erhalten. Diese Zusage muß aber in Form eines vinländischen und somit absolut verpflichtenden Ehrenwortes geschehen. Bei fehlendem oder nicht nachgeholtem angemessenem Gastgeschenk kann die Gastfreundschaft direkt verweigert bzw. wieder aufgekündigt werden.

Bei großen Festen u.ä. werden solche Geschenke allerdings nur von Bekannten, Verwandten und sonstigen hervorragenden Persönlichkeiten erwartet, normale einfache Gäste sind hierzu nicht verpflichtet (außer bei einer individuellen Unterbringung im Haushalt einer dritten Person dann dieser gegenüber).

Die Gewährung des vinländische Gastrechtes bedeutet zugleich die Unterwerfung des Gastes unter die vinländischen Gesetze und Gebräuche. Deren Verletzung führt regelmäßig zur Aufkündigung des Gastrechtes und Verweisung aus dem Haus. Der Ausländer darf sich demgemäß nicht auf eigene anderslautende Bräuche berufen, kann aber sich aber beim ersten Verstoß darauf verlassen, daß es bei einer entsprechenden Belehrung und Ermahnung bleibt, solange eine solche Entschuldigung vernünftig klingt. Bei wirklich herben und wohl überall auf der Welt gleichermaßen abgelehnten Taten wird allerdings kaum eine solche Ausrede gelten.

Allerdings wäre auch ein solcher Gast zunächst noch geschützt, müßte also das Haus bzw. das Land des Gastgebers ungefährdet verlassen können. Ihm ist auch die Mitnahme alles persönlichen Eigentum etc. zu erlauben und entsprechend angemessene Zeit zur Vorbereitung zu gewähren. Widersetzt sich der Gast dem Rausschmiß, kann der Hausherr ihn natürlich dann auch „angemessen“ gewaltsam – also notfalls auch mit Waffen, und wenn es denn nicht anders geht, als Leiche -hinaus befördern. Und es steht dem Gastgeber frei, über die Aufkündigung der Gastfreundschaft hinaus weitere Maßnahmen bis hin zur blutigen Fehde zu ergreifen, die er allerdings ebenfalls vorher anzukündigen hat, aber sofort vollziehen kann, sowie der verwiesene Gast über die Türschwelle bzw. die Grenze seines Landes überschritten hat („Iss’er draußen? Ja? Richtig draußen? Jaaa – auf ihn! Mir naaaach!! Aaaangriff!!!“).

Ehrenwort: Vinland ist eine im wesentlichen noch schriftlose Kultur. Die bekannten Runen taugen von ihrer Form her nur für kurze Inschriften auf harten Material wie Stein oder Holz; für flüssiges Schreiben auf Papier, Papyrus oder Pergament sind sie denkbar ungeeignet. Von „modernen“ Adelshöfen und Handelshäusern abgesehen, gibt es daher keine geschriebenen Gesetze, Verträge und sonstige Festlegungen oder Vereinbarungen. Vinländische „Archive“ sind vielmehr die Gedächtnisse der hierauf spezialisierten „Lôgmänner“.

Daher tritt an die Stelle eines Schriftstückes die feierliche mündliche Erklärung eines Vertrages oder einer Verpflichtung. „Feierlich“ bedeutet schlicht, daß die Erklärung ausdrücklich mit dem Ehrenwort verbunden wird. An so etwas fühlt sich ein Vinländer absolut und auch um den Preis seines Lebens gebunden. Ein Schwur wird hierbei nicht geleistet und auch nicht für nötig erachtet. Geschworen wird eigentlich nur bei Gerichtsverhandlungen, weil ein Ehrenwort typischerweise einer bestimmten einzelnen Person abgegeben, die Eidesleistung auf dem Thing aber allen Teilnehmern (einschließlich anwesender Götter) gegenüber als verbindlich angesehen wird. Auch hieran erkennt man, daß für den Vinländern Ehrenwort und Eid eigentlich das gleiche ist.

Entsprechend kann, darf und wird sich ein Vinländer seinerseits ebenso bedingungslos auf ein ihm gegebenes Ehrenwort verlassen und keine weiteren Sicherheiten o.ä. fordern. Er wird jedoch bei einem Fremden sicher stellen, daß dieser genau weiß, was das von ihm abgegebene Ehrenwort auf Vinland bedeutet. Der Bruch eines solchen rangiert jedenfalls unter den schlimmstmöglichen und ehrverlustigsten Vergehen überhaupt (etwa wie Sippenmord, s.o.).

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